30 Jahre Gebetsnacht

Ein Gespräch mit Isolde und Daniel Müller über einen kleinen Start und große Wunder.

Ein Jahr vor der ersten Gebetsnacht habt ihr die Initialzündung dafür erlebt. 1991 wart ihr in Südkorea. Was ist da passiert?

Isolde: Wir waren auf einer Pastorenkonferenz in einer großen Gemeinde in Seoul. Zu dieser Gemeinde gehörte ein Gebetsberg, direkt an der Grenze zu Nordkorea, und wir wollten dort gern eine Nacht verbringen. Auf dem Berg steht eine große Kirche, es gibt Bunker aus dem Krieg und überall haben Leute gebetet. Sehr beeindruckt hat uns die Atmosphäre – und auch das Feuer, mit dem die Einheimischen dort beteten. Selbst nachts noch sind wir aufgewacht von dem Schreien und Beten der Koreaner. 

Daniel: Morgens um 5 Uhr hat dann die schrille Glocke Sturm geläutet und wir sind dann aufgestanden und wollten Kaffee trinken gehen. Aber im Bistro stand ein lieber Koreaner und sagte: „Erst beten, dann Kaffee!“ 

Isolde: Dann gingen wir in Kirche und es waren schon viele Leute dort. Aber es kamen auch viele Autos angefahren. Wir haben uns gewundert, warum. Jemand hat uns dann erklärt, dass es Geschäftsleute waren, die morgens um 5 Uhr vor der Arbeit aus Seoul zum Beten kamen. 

Daniel: Alle saßen auf dem Boden und wir dazwischen mit unseren langen Beinen. Das war schon herausfordernd. Jemand hat uns dann netterweise eine Kiste geholt und wir haben uns so gut es ging aneinander gelehnt. Es war aber eine hammer Atmosphäre – und wir haben gesagt: So etwas machen wir zu Hause auch!

Und dann habt ihr 1992 gestartet. Wie war der Anfang?

Daniel: Wir haben ganz koreanisch begonnen: Ohne Schuhe und auf dem Boden. Beim ersten Mal waren wir um die 30 Leute. Es gab viele Predigten. So würde man es heute wahrscheinlich nicht mehr machen und so wird es wahrscheinlich auch in Korea nicht mehr gemacht. Aber es sind Wunder geschehen, Leute erzählten am Sonntag gleich weiter, wie es gewesen war, und die Besucherzahlen haben sich mit jedem Mal verdoppelt.

Isolde: Da standen dann Hunderte von Schuhpaaren in mehreren Reihen vor der Tür, der ganze Gang voll. Diese Atmosphäre auf dem Boden, dicht aneinander, das war schon einmalig. Das Besondere bei einer Gebetsnacht war schon immer, dass Leute kommen, die was wollen, die was suchen. Das ist eine andere Atmosphäre als sonntagsmorgens. Wenn jemand auf sich nimmt, sich eine Nacht um die Ohren zu schlagen, dann will er wirklich was – und das spürt man.

Als 1999 die Kathedrale fertig wurde, habt ihr die Gebetsnacht dort veranstaltet und es kamen 1000 Besucher, später bis zu 3000. Wie hat sich die Gebetsnacht da verändert?

Daniel: In der Kathedrale wollte mein Vater dann gern Hauptredner sein und wie er so war, hat er zwei Stunden lang gepredigt und es herrschte Party-Stimmung. Danach musste ich die Leute dann erst wieder sammeln und in eine Gebetshaltung führen. Aber das gelang, denn die Leute waren ja wirklich zum Beten gekommen.

Gibt es Erlebnisse aus den Jahren, die euch im Gedächtnis geblieben sind?

Daniel: Gerade vorletzten Sonntag war jemand in der Kathedrale und erzählte, vor 30 Jahren hat mein Vater für ein Kind gebetet – und dann wurden es Zwillinge.

Isolde: Ja, es ist schon auffällig, dass viele schwanger wurden, nachdem sie auf der Gebetsnacht waren. Viele kommen mit einem Kinderwunsch und wenn bei den Gebetsnächten Leute erzählen, was sie erlebt haben, sind viele Schwangerschaften dabei.

Daniel: Manchmal haben wir zu dritt oder viert nach der Gebetsnacht noch für 2000 Leute einzeln gebetet.

Isolde: Das kostet viel Kraft.

Daniel: Aber andererseits bekommst du da auch so viel Strom, dass du den Leuten manchmal wirklich ins Gesicht sagen kannst, wo es zieht und fehlt. Einem sagte ich: „Entscheide dich mal zwischen deinen Frauen.“ Und er antwortete: „Aber wie soll ich‘s machen? Ich habe fünf Frauen, mit dreien bin ich noch zusammen, von jeder habe ich ein Kind …“ Da kommt man dann schon ins Schwitzen und fragt sich: Hätte ich lieber nichts sagen sollen?

Isolde: Vor nicht allzu langer Zeit trafen wir zufällig eine Frau, die uns erkannte und erzählte, dass ihr Mann in den 90ern drogenabhängig gewesen war und sich vor der Gebetsnacht auf dem WC im Missionswerk noch mal einen Schuss setzte. In der Gebetsnacht hat er sich dann bekehrt und für sich beten lassen und war von einem Tag auf den anderen frei von Drogen. Er arbeitete dann in einer Drogen-Reha und half anderen Drogenabhängigen. Und immer wenn er seither im Missionswerk war, ging er in das WC, wo er sich das letzte Mal Drogen gespritzt hatte und erinnerte sich daran.

Ihr müsst ja die ganze Gebetsnacht lang hellwach sein, weil ihr Programm macht. Wie bereitet ihr euch darauf vor?

Daniel: Man ist vorher schon wie elektrisiert. Auch wenn man am Freitagmorgen so lang schlafen kann, wie man will, ist man schon um 8 Uhr wach. Nach dem Frühstück gehe ich dann in die Kathedrale und schaue, ob die Technik läuft und packe da und dort mit an. Um 17 Uhr treffen dann die Helfer ein, von 18 bis 19 Uhr wird gebetet, von 19 bis 20 Uhr wird der Lobpreis geprobt. Und von 20 bis 22 ist eigentlich noch Pause, aber es gibt immer noch so viele Fragen, man isst kurz was und, zack, geht’s auch schon volle Kanne los – und dann ist man eigentlich die ganze Zeit unter Strom.

In den sieben Stunden komme ich fast nicht von der Bühne runter, außer wenn Isolde predigt oder wenn Rahel Programm macht. Dann essen wir kurz einen Joghurt – aber mittlerweile auch das im Saal, weil ich mit niemandem reden möchte – das holt mich zu sehr raus. Und wenn die Gebetsnacht dann vorbei ist, sind wir richtig k.o. Aber erst wenn sie vorbei ist. 

Isolde: Schön ist, dass wir so ein eingespieltes Team sind. Auch mit Thomas, unserem Pastor, und mit unserer Tochter Rahel. Da greift eins ins andere. Und inzwischen haben wir auch die Routine, dass man mal was abfangen oder einspringen kann.

Was kostet die meiste Arbeit?

Daniel: Die meiste Arbeit besteht darin, das Programm aufzustellen, gar nicht die Predigt, wie man vielleicht denken könnte. Also: In welcher Minute singen wir welches Lied, wann kommt welcher Einspieler? Dann merkt man, in der Reihenfolge geht es nicht, dann dreht man es wieder um ... 

Isolde: Für die Kameraleute und das Licht brauchen wir ja einen genauen Ablauf und für uns selbst natürlich auch. Das ist viel Arbeit, da sitzt Daniel zwei Tage dran.

Daniel: Das mache ich auch gar nicht so gern. Wenn der Ablauf steht, bin ich erleichtert. 

Gab es mal Zwischenfälle bei einer Gebetsnacht?

Daniel: Einmal drohte unser Generator abzubrennen. Das System ruft dann selbstständig die Feuerwehr und es gab während der Gebetsnacht Durchsagen, dass das Haus geräumt werden muss. Die Ansage dafür kommt vom Band und das hatte mein Bruder besprochen, daher sagten die Leute: „Ach, das ist doch der Torsten, das ist nur ‘ne Übung!“ (lacht) Die Bild- und Tontechniker waren als Erste weg, deshalb lief der Livestream weiter und man konnte am Bildschirm alles live verfolgen. Nur die Lautsprecher haben sie ausgeschaltet, sodass wir keine Durchsagen mehr machen konnten (lacht). 

Isolde: Aber es war toll, es war schon Herbst, aber noch relativ warm und die Leute gingen alle raus auf den Rasen und fingen an zu singen. 

Daniel: Und als wir dann drinnen weitermachen konnten, war die Stimmung bombig.

Was wünscht ihr euch, was auf einer Gebetsnacht passiert?

Isolde: Dass Menschen Gott begegnen und berührt werden. Ermutigung spielt dabei eine große Rolle. Auf der Gebetsnacht erzählen Leute, was sie erlebt haben und wir lesen auch Zeugnisse vor. Es liegt so ein großes Potenzial in dieser Ermutigung, weil die Leute das selbst ergreifen und auch erleben.

Daniel: Wir möchten die Menschen an die Tür zu Jesus führen und sagen: Jetzt kannst du selber mit ihm reden. Und wir möchten den Glauben aufbauen, dass Gott handelt, dass Wunder passieren können. Bei manchen schlägt es richtig ein, sie fangen an zu weinen oder sie hüpfen umher und man kann sehen: Es hat was gezündet. Das Wichtigste ist, dass Menschen Gott erleben, dafür machen wir das alles.

Würdet ihr sagen, dass sich die Gebetsnächte in den 30 Jahren verändert haben? 

Daniel: Ich würde sagen, dass die Leute früher näher am Gebet waren als heute. Heute kommen mehr Abholer, also Leute, die sagen: „Ich brauche was und wenn Gott eingreift, dann ist gut.“ Sie führen weniger schon ein Gebetsleben vorweg, sondern kommen zu einem Event, um sich etwas abzuholen. Andere Leute sagen: Ich bete schon lange dafür, ich glaube, dass Gott handeln kann. Dann kommen wir dazu und sagen: „Okay, ich helfe dir noch den letzten Meter schieben.“ Und du weißt fast sicher, dass bei denen was passiert, weil sie vorbereitet sind.

Isolde: In den 30 Jahren hat sich so viel verändert und wir haben umgedacht und verändert und neu sortiert und neu kreiert, das muss man, denn die Zeiten ändern sich. Heute könnten wir eine Veranstaltung nicht mehr so machen wie damals, die Leute sind heute anders. Menschen brauchen heute mehr Abwechslung.

In den letzten zwei Jahren war die Gebetsnacht nur online möglich. Wie geht es euch mit der Online-Version?

Daniel: Sie hat ihren eigenen Reiz. Weil wir schon lange unseren Livestream hatten, gehörten wir beim ersten Lockdown mit zu den Ersten, die praktisch sofort volle Kanne online da waren. Als wir beim ersten Mal in der leeren Kathedrale standen, nur die Kameras vor uns, wusste ich nicht, wie es werden würde – aber es war fast eine bessere Atmosphäre, als wenn Leute dagewesen wären. Wir haben geweint, weil die Gegenwart Gottes so spürbar war, das war schon toll. Jetzt hätte ich aber schon gern wieder Leute da.

Bekommt ihr während der Gebetsnacht dann Reaktionen von Teilnehmern mit?

Daniel: Ja, alle Nachrichten, auch aus den Chats, werden gesammelt und wir bekommen sie auf unsere iPads. Isolde und Thomas, unser Pastor, sitzen davor, lesen Anliegen und Gebetserhörungen und lesen immer wieder auch daraus vor.

Wird es mit den Lockerungen jetzt wieder normale Gebetsnächte geben?

Daniel: Ja und darauf freuen wir uns sehr. Wir sind uns noch nicht ganz schlüssig wegen der Uhrzeit. Die Leute lieben es auch, dass es schon um 14 Uhr losgeht. Und wir selbst merken auch, dass man es tagsüber leichter stemmt als nachts. Wir selbst und unsere Helfer sind ja auch wieder ein paar Jahre älter geworden. Dann kann es natürlich nicht mehr Gebetsnacht heißen, da müssten wir einen anderen Namen finden. 

Wenn ihr an Karfreitag und an die Gebetsnacht denkt – worauf freut ihr euch am meisten?

Isolde: Auf das, was die Leute als Resonanz zurückgeben. Wenn Leute schreiben: „Mein Leben hat sich verändert“, „ich bin geheilt worden“, „ich kann es wieder mit meinem Mann zusammen“ – das ist unsere Belohnung. 

Daniel: Wir gehen in solche Veranstaltungen immer auch mit der Haltung: „Herr, wenn heute die Erweckung beginnt, wäre das ein guter Zeitpunkt. Dann machen wir nicht Schluss, wenn die Veranstaltung eigentlich zu Ende wäre, sondern machen weiter. Dir gehört die Plattform!“

Gebetsnacht in Zahlen 

Bis zu 10 Busfahrten wurden von einem Reisebüro zur Gebetsnacht angeboten – etwa aus Hamburg, Hannover, Österreich und der Schweiz.

Bis zu 180 Helfer waren vor Ort aktiv.

Bis zu 1.500 Frühstücke wurden serviert.

Bis zu 3.000 Besucher waren in der Kathedrale.

Bis zu 12.000 Teilnehmer haben im Livestream teilgenommen.

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