Vorbild für alle Christen

Ein neues Licht auf Paulus und seine Mission.

Einige Teilnehmer erzählten uns, dass sie ursprünglich nur mit nach Griechenland gekommen waren, weil eine Israelreise zurzeit nicht möglich war, eigentlich hätten sie aber gar kein großes Interesse an Griechenland gehabt. Doch die Reise habe sie vollkommen überrascht. Paulus und seine Mission sähen in einem neuen Licht und würden mit einer ganz anderen Perspektive die Bibel lesen. 

Die Reise hat für viele die Bibel lebendig werden lassen und Paulus hat sich als beeindruckendes Vorbild für alle Christen erwiesen – ein Beispiel dafür, entschlossen voranzugehen: Paulus hat es geschafft, durch Gottes Wirken eine ganze Kultur zu verändern. Damals gab es zwölf Hauptgötter und etwa 6.000 untergeordnete Gottheiten, Philosophen und viel sündhaftes Leben, besonders in Städten wie Korinth. Diese Herausforderung nahm Paulus an. Mit großem Mut predigte er sogar in den jüdischen Synagogen, dass die Menschen Jesus als Erlöser brauchen.

Römer und Jude?

Bei meinen Vorbereitungen hatte ich mir die Frage gestellt: Wie kommt es, dass Paulus gleichzeitig Jude und auch Römer war? Die Antwort ist ganz einfach: Paulus‘ jüdische Familie wohnte in Tarsus, einer Stadt von hohem Rang im Römischen Reich. Wohlhabende oder einflussreiche Familien, zu denen Paulus‘ Familie vermutlich gehörte, konnten hier das römische Bürgerrecht erlangen. 

Paulus wurde mit dem Namen Saulos (abgeleitet von König Saul) geboren, Paulos/Paulus ist die griechische/römische Form seines Namens. Paulus wurde zu seiner Schwester nach Jerusalem geschickt, um unter dem berühmten Rabbiner Gamaliel zu lernen, der auch in jüdischen Quellen erwähnt wird. Neben seiner Ausbildung in der Thora, erlernte Paulus den praktischen Beruf als Zeltmacher.

Paulus scheint keine Ehrfurcht erregende Persönlichkeit zu sein. In außerbiblischen Schriften wird er als klein beschrieben, mit krummen Beinen, kräftigem Körperbau, buschigen Augenbrauen und einer gebogenen Nase. Ob das stimmt, können wir nicht mehr feststellen. Klar ist: Genau ihn konnte Jesus gebrauchen und Paulus‘ Spuren sind bis heute und insbesondere in Griechenland noch sichtbar. 

Das Weib schweige?

In Beröa, dem heutigen Veria, besuchten wir eine alte Synagoge. Sie wurde 1850 eröffnet. Die Synagoge aus Paulus‘ Zeiten existiert nicht mehr, aber auch in diesem historischen Gebäude ist die Frauenempore mit dem hölzernen Sichtschutz gut erkennbar. Anhand des Bauwerks erklärte ich die oft missverstandene Aussage von Paulus in 1. Korinther 14,34-35:

„Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in den Versammlungen, denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, sollen sie zu Hause ihre eigenen Männer fragen, denn es ist unanständig für eine Frau, in der Gemeinde zu reden.“

Dieser Vers wird oft als Verbot für Frauen verstanden, in der Kirche zu sprechen oder gar zu lehren. Doch in der kulturellen und historischen Situation zu Paulus‘ Zeiten hatte er einen anderen Hintergrund. In den damaligen Synagogen saßen Männer und Frauen getrennt. Die Frauen hatten selten formellen Unterricht in den Schriften und waren ungebildet. Sie verfolgten den Gottesdienst nur von einem separaten Bereich. Ohne die gleichen Bildungschancen waren sie auf die Hilfe ihrer Männer angewiesen, um bestimmte Lehrinhalte zu verstehen.

Viele Frauen riefen daher während der Predigt über die Trennwand oder von der Empore zu ihren Männern hinunter und stellten Fragen, die zu Störungen in den Versammlungen führten. Paulus wollte diese Unterbrechungen vermeiden und wies deshalb an, dass die Frauen ihre Fragen zu Hause stellen sollten, statt die Gemeindeversammlung zu unterbrechen. Er stellte nicht infrage, dass Frauen lernen oder Fragen stellen dürfen – ganz im Gegenteil: Die Männer sollten ihnen bereitwillig Wissen vermitteln. Diese Anweisung förderte sogar die Bildung der Frauen im Glauben, indem sie ermutigt wurden, sich Wissen anzueignen, ohne den Gottesdienstfluss zu stören.

Ein weiteres Indiz dafür, dass Paulus Frauen im geistlichen Dienst unterstützte, sind seine zahlreichen Verweise auf weibliche Mitarbeiterinnen wie Priscilla (Römer 16,3), die lehrte und in den Gemeinden aktiv war, oder Phoebe (Römer 16,1), die Paulus als „Dienerin der Gemeinde“ beschreibt. Auch Lydia und Junia werden als bedeutende Frauen in der frühen Kirche erwähnt. Paulus war also keineswegs gegen Frauen im geistlichen Dienst, sondern wollte in diesem Fall eine für damalige Verhältnisse geordnete und ruhige Gottesdienstumgebung schaffen.

Indem er Männer dazu aufforderte, ihre Frauen in geistlichen Fragen zu unterstützen, schuf er einen Rahmen für die Gleichstellung von Mann und Frau in der Gemeinde, die im damaligen kulturellen Kontext äußerst fortschrittlich war.

Mit großer Entschlossenheit

Während seiner Missionsreisen wurde Paulus immer wieder verspottet und verlacht, etwa als er in Athen über die Auferstehung sprach (Apostelgeschichte 17,32) und von Gegnern der frühen Kirche angegriffen wurde, die seinen Lehren widersprachen. Paulus berichtet in seinen Briefen über die Verfolgungen und Leiden, die er erdulden musste: Fünfmal erhielt Paulus von den Juden die 39 Schläge (2. Korinther 11,24), dreimal wurde er mit Stöcken geschlagen (2. Korinther 11,25), einmal wurde Paulus sogar gesteinigt und für tot gehalten (Apostelgeschichte 14,19). Nach dieser Steinigung stand er jedoch wieder auf und setzte seinen Dienst fort. Mehrmals war er in Gefangenschaft, erlitt Schiffbruch, Hungersnöte, Kälte, Mühe und Sorgen für die Gemeinden. Trotz all dieser Leiden blieb Paulus standhaft.

Er versuchte nicht, den Griechen eine neue Religion aufzuzwingen oder sie zu verurteilen, sondern begegnete ihnen auf Augenhöhe. Für mich ist er ein starkes Vorbild. Als Christen neigen wir oft dazu, alles zu verurteilen, was nicht zu unserem Glauben passt, statt ein Leben zu führen, das für Menschen unserer Zeit attraktiv und inspirierend ist. Es ist beeindruckend, wie aus einem Gegner Jesu ein leidenschaftlicher begeistender Streiter des Evangeliums werden konnte, der sein ganzes Leben dafür einsetzte, die Welt von Jesus zu überzeugen. Unsere Reise hat uns in kürzester Zeit die Augen dafür geöffnet.

Daniel Müller, Missionswerk Karlsruhe

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