Werdet wie die Kinder!

Was für eine unerwartete und scheinbar paradoxe Aufforderung von Jesus selbst! Können wir überhaupt werden wie die Kinder? Und wozu sollte es sinnvoll und erstrebenswert sein?

Unsere Welt, die von Komplexität und Herausforderungen geprägt ist, braucht nicht noch mehr komplexe Regeln und Vorschriften. Vielmehr braucht es eine neue Perspektive, einen neuen Blickwinkel, der uns das Wesentliche neu entdecken lässt. Diesen anderen Blickwinkel haben Kinder. 

Als Jesus das Kind als Vorbild in die Mitte stellt, zeigt er uns einen Zugang zum Himmelreich. Das ist kein Entfliehen aus der Realität, sondern ein wunderbarer Weg, um Gottes Möglichkeiten im Hier und Jetzt zu erschließen. Indem er ein Kind in die Mitte ruft, verdeutlicht Jesus:

„Wenn ihr euch nicht ändert und so werdet wie die Kinder, kommt ihr ganz sicher nicht in Gottes himmlisches Reich.“

Matthäus 18,3

Realität mitten unter uns

Das Himmelreich gleicht nicht dem Schlaraffenland, in dem uns gebratene Tauben direkt in den Mund fliegen und Häuser aus Lebkuchen gebaut sind. Das Himmelreich ist eine greifbare Realität, die sich in unserer Mitte entfaltet:

„Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten kann; noch wird man sagen: Siehe, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“

Lukas 17,21

Das Himmelreich offenbart sich in einer Dimension, in der die Gegenwart und das Wirken Gottes unter den Menschen spürbar wird. Jesus verdeutlicht, dass es sich nicht um eine geografische oder materielle Realität handelt, die äußerlich erkennbar ist. Paulus beschreibt in Römer 14,17, was das Reich Gottes ausmacht: „Denn das Reich Gottes besteht nicht in Essen und Trinken, sondern in Gerechtigkeit und Frieden und Freude im Heiligen Geist.“ Diese Worte beschreiben ein konkretes Bild des Himmelreichs. Es zeichnet sich durch besondere Qualitäten aus: nämlich durch Gerechtigkeit, Frieden und Freude – erlebt durch die Kraft des Heiligen Geistes. Es definiert sich durch diese Werte und nicht durch materiellen Besitz. Sind es nicht gerade Frieden, Freude und Gerechtigkeit, die uns in der heutigen Welt so oft fehlen und die wir so dringend benötigen? Was, wenn wir einen Zugang in unserem Alltag zu diesem Reich finden könnten? 

Dein Zugang zum Himmelreich 

Jesus macht klar, dass der Zugang zum Himmelreich nicht erst beim Übertritt ins Jenseits liegt, sondern durch eine innere Umkehr und durch das Einlassen auf kindliche Unvoreingenommenheit und Offenheit erfolgt, für die er die Kinder als Vorbild nimmt. Kinder, die in der Zeit Jesu sozial wenig angesehen waren, stellt Jesus unerwartet in den Mittelpunkt. Er verweist nicht auf das süße Kinderlachen, ihre ansteckende Freude oder ihr zum Schmunzeln anregendes, unbeholfenes Hantieren. Jesus betont ihren Glauben und damit ihren ganz besonderen Blick auf diese Welt. In ihrem einfachen und direkten Glauben liegt eine tiefe Weisheit und ein Schlüssel, um Zugang ins Himmelreich zu erhalten. Der radikale Aufruf Jesu, zu werden wie die Kinder, lässt keinen Spielraum: Jesus fordert uns auf, neu den unverfälschten Glauben und die ungetrübte Perspektive eines Kindes zu entdecken und selbst einzunehmen.

Unendliche Vorstellungskraft 

Wir sind eingeladen, uns Tag für Tag darauf einzulassen, die Welt mit der Vorstellungskraft eines Kindes zu betrachten – unbelastet von Sorgen, geleitet von einer unverfälschten Freude am Entdecken. Kinder sehen in jedem Moment ein Abenteuer und sind offen für Neues, getrieben von einer tiefen Neugier und dem Glauben an das Unmögliche. Jesus unterstreicht, wie essenziell es ist, diese glaubensvolle, ungetrübte Sicht wiederzuentdecken, um das Wirken Gottes in unserem Leben zu erkennen und zu erfahren. Kinder begrenzen die Wirklichkeit nicht auf die aktuelle Realität, sondern nehmen die Welt umfassender wahr. Bei Kindern verschmelzen Vorhandenes und Vorstellungskraft zu ihrer Wirklichkeit. Diese besondere Eigenschaft ist für die kindliche Entwicklung von großer Bedeutung. Sie fördert die Kreativität und Problemlösungsfähigkeit, emotionales Verständnis und Empathiefähigkeit. Wie wäre es, wenn wir dieses Potenzial neu entdecken? Wie wäre es, wenn sich unser Glaube kraftvoll entwickeln würde und wir das Vorhandene nicht als gegebene Realität betrachten, sondern verbunden mit der Vorstellungskraft wahrnehmen? Wenn sich unsere Vorstellungskraft aus dem Vertrauen auf Gottes Möglichkeiten nähren würde, dann hätten wir tatsächlich den Schlüssel und Zugang zum Himmelreich gefunden und würden eine ganz neue Perspektive erhalten. Eine Perspektive, die die Fülle an Leben widerspiegelt, voller Freude, Friede und Gerechtigkeit.

Kindliche Perspektive im Alltag

Wie können wir diese Sichtweise in unser tägliches Leben einbringen? Der erste Schritt besteht darin, eine Offenheit zu kultivieren. Wir können uns bewusst Zeit nehmen, die Welt um uns herum mit Staunen und Neugier zu betrachten. Wir könnten versuchen, unseren Geist von den „Programmen“ des Grübelns und der Sorge zu befreien. Kinder zeigen uns, dass eine ungetrübte, glaubensvolle Sicht auf die Welt möglich ist – eine Sicht, die es möglich macht, das Himmelreich als lebendige Gegenwart zu ergreifen und nicht nur als eine ferne Zukunft. Jesus betont die Bedeutung einer kindlichen, fantasievollen Perspektive, um das Reich Gottes zu erfahren. Die Unbeschwertheit, Offenheit und der feste Glaube an das Gute, die Kinder ausstrahlen, sind essenziell, um Zugang zum Himmelreich zu finden. Diese Sichtweise eröffnet uns eine neue Art, die Gegenwart Gottes in unserem Leben zu entdecken. Um die kindliche Perspektive in unser Leben zu integrieren, sollten wir mit der Kultivierung von Einfachheit beginnen. Dies beinhaltet, jeden Tag als Geschenk zu betrachten und die kleinen Wunder um uns herum wertzuschätzen. Indem wir uns von den Fesseln des Überdenkens befreien, öffnen wir uns für den Frieden und die Freude, die aus einer echten Verbindung mit dem Göttlichen entspringen. Durch bewusste Akte der Güte und des Vertrauens manifestieren wir das Himmelreich in unserem alltäglichen Leben. Die Reflexion von Gottes Liebe in unseren Beziehungen und Entscheidungen macht das Himmelreich zu einer greifbaren Realität, die uns umgibt und durch uns wirkt.

Schritte zur Verwirklichung 

Um das Himmelreich im Hier und Jetzt zu erfahren, ist es wichtig, Momente der Stille zu suchen, in denen wir uns für die Führung des Heiligen Geistes öffnen. Jesus zeigt uns, wie wir Zugang zu dieser Dimension finden. Bereits im Vaterunser gibt Jesus uns eine Vorlage, wie wir beten sollen:

„Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden.“

Matthäus 6,10

Mit diesem Gebet lassen wir uns darauf ein, dass unser Leben transformiert wird, sodass es im Einklang mit Gottes Willen steht und wir sein Reich hier auf Erden verkünden. Bewusste Akte der Güte und Liebe, sei es durch ein aufmunterndes Wort oder eine helfende Hand, sind konkrete Wege, Gottes Liebe in unserem täglichen Leben zu manifestieren. Diese Handlungen verwandeln uns in Boten des Himmelreichs auf Erden.

Werden wie die Kinder?

Die Botschaft Jesu über das Himmelreich ist ein Aufruf, unser Leben und unseren Glauben neu zu betrachten. Durch die Rückkehr zur kindlichen Unbeschwertheit und die Öffnung für die göttliche Präsenz in jedem Moment unseres Lebens entdecken wir, dass das Himmelreich nicht eine ferne Hoffnung, sondern eine erfahrbare Realität ist, die durch unsere Handlungen und Beziehungen Gestalt annimmt. Indem wir unser Leben im Einklang mit Gottes Willen führen, manifestieren wir das Himmelreich hier auf Erden und tragen dazu bei, eine Welt zu erschaffen, die von Liebe, Gerechtigkeit und Freude geprägt ist.

Thomas Inhoff, Missionswerk Karlsruhe

Vertiefende Fragen

  • Wie könnte ich mein tägliches Leben mit der Vorstellungskraft und Offenheit eines Kindes betrachten?
  • In welchen Bereichen meines Lebens könnte ich mehr vertrauen statt mich von Sorgen lähmen zu lassen?
  • Wie kann ich durch kleine Handlungen der Güte das Himmelreich im Hier und Jetzt manifestieren?

Praktische Alltagstipps

  • Praktiziere tägliches Staunen: Nimm dir jeden Tag einen Moment Zeit, um die Welt um dich herum bewusst wahrzunehmen. Ob es der Sonnenuntergang, das Lachen eines Kindes oder die Schönheit einer Blume ist – erlebe diese Momente mit der gleichen Neugier und Bewunderung, wie es ein Kind tun würde.
  • Lass Sorgen los: Wenn du dich das nächste Mal überfordert oder besorgt fühlst, halte einen Moment inne. Stell dir vor, wie ein Kind in derselben Situation reagieren würde – oft mit einer einfacheren, hoffnungsvolleren Sichtweise. Versuche, diese Perspektive einzunehmen und deine Sorgen in größeres Vertrauen umzuwandeln.
  • Lebe Güte aktiv: Suche nach kleinen Wegen, um Güte in deinem Alltag zu praktizieren, sei es durch ein freundliches Wort, eine hilfreiche Geste oder einfach nur durch Zuhören, wenn jemand es braucht. Diese Taten der Güte sind eine praktische Manifestation des Himmelreichs auf dieser Erde.

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